Nachlese Ferienbiertisch 7. Aug. 2015 im Travertinpark Cannstatt

Travertin1Wettermäßig war es mit 38,6 Grd. ein rekordverdächtiger Sommerabend, der immerhin 16 Geogeschichtsinteressierte in den neuangelegten Park geführt hat. Zunächst erläuterte Uli allgemein die Entstehung des Travertin und im Besonderen die Geschichte der Steinbrüche und die Gewinnung des Travertin als Baumaterial.
Wie vielleicht manche von Euch wissen, hat die Stadt Stuttgart das Betriebsgelände der FS Treppen Gmbh, das ist die ehem. Firma unseres Bbr. Fritz Schauffele, und die aufgelassenen Steinbrüche der Firmen Haas und Lausterer nebenan erworben und den sehr interessanten Travertinpark angelegt. Travertin ist ein Naturstein, der aus dem im Raum Cannstatt seit Urzeiten reichlich fließenden Mineralwasser gebildet wird. Ursache sind die von Kohlensäure gelösten Mineralien, die nach dem Zutagetreten und Verflüchtigung des CO2 die Gesteinsschichten des Travertin - auch Sauerwasserkalk genannt - gebildet haben und dieser demzufolge 'natürlich' widerstandsfähig gegen sauren Regen ist. Das kalkhaltige Wasser entsteht aus Niederschlägen auf obere Muschelkalkschichten in ca. 30 km südlicher Richtung und braucht 20 (!) Jahre bis es hier ankommt und zu Tage tritt, ca. 500 l/s, mit bis zu 30 gr gelösten Mineralien. Das Hälfte davon fließt aber direkt in den Neckar und nur ein bißchen in unsere 3 Mineralbäder oder die öffentlichen Brunnen.
Der Mittnachtbau und das Graf Zeppelin gegenüber dem Bahnhof wurden mit dem Cannstatter Travertin verkleidet, ebenso wie unsere neue Staatsgalerie vom berühmten Sir James Stirling und viele andere Bauten.
Auch erdgeschichtlich sind die Travertinbänke von großer Bedeutung denn die Schichten enthalten viele Einschlüsse aus den eiszeitlichen Warmzeiten (Pleistozän u. Holozän), versteinerte Pflanzen, Teile der Tierwelt von Waldelefant, Mammut, Riesenhirsch, Höhlenlöwe, Waldnashorn, Wildrind und -pferd... und Artefakte der Urmenschen, die damals schon hier lagerten. Alles zu besichtigen im nahen Naturkundemuseum in der Ausstellung 'Die Mammuts kommen'. 
Vom Steinbruch Schauffele und den Betriebsgebäuden ist nichts mehr erhalten, außer den denkmalgeschützten Kranbahnen, der imposanten Gattersäge und anderen Geräten und ein Stück Gleise der ersten elektrischen Industiebahn, die verschiedene Betriebe mit dem Bahnnetz verbunden hat. Der Großvater von Fritz hatte den Betrieb 1922 gegründet und ab 1925 von den Söhnen Richard und Wilhelm gemeinsam, ab 1946 nur noch von Wilhelm geführt. 1960 endete der Travertinabbau, 1970 übernahm Fritz den Betrieb mit der Spezialisierung auf Naturstein-Treppenbau aus allen gängigen (und importierten) Steinarten, wobei die Stufen mit einer epoxidharzverklebten Glasgewebeeinlage statisch tragend ausgebildet waren. 1997 musste Fritz den Betrieb aufgeben. Für die Nachnutzung empfahl sich eine Wohnbebauung, was jedoch eine Änderung des Bebauungsplans voraussetzte und sich als 'schwierig' erwies. Das Bauamt fand dann eine trickreiche Lösung, sodass die Stadt letztendlich 2006 das gesamte Gelände erwarb, anstelle der Betriebsgebäude Mehrfamilien-Wohnhäuser zuließ, den Steinbruch verfüllte und zusammen mit dem erhaltenen Steinbruch Haas den jetzt sehenswerten Landschaftspark initiierte. 
Dahin führte uns dann eine kurze Wegstrecke, alles gesehen, ja, ja... und wo geht's jetzt zum Pilum, (was Volker auf Nachfrage sofort mit 'Speer' übersetzte!), dem Ziel des Biertisches im Römerkastell? Dort erwarteten uns schon die 'Fußkranken', ein langer Tisch im Schatten von Sonnenschirmen und ein sehr freundlicher junger Ober. Rasch waren alle mit Getränken - vorzugsweise Hefeweizen alkoholfrei - versorgt und später mit üppigen Speisetellern. Und diese laue Sommernacht weckte viele Erinnerungen an Spuze und Feten der verflossenen Jahre bis auch das letzte Grüppchen so gegen 22 Uhr den Heimweg antrat.
 

Wer aber verhindert war oder außerhalb des Biertisch-Einzugsgebiets beheimatet und dennoch erdgeschichtlich und an der Vorgeschichte interessiert ist, dem habe ich die offizielle Broschüre hier eingestellt ( etwas Geduld, PDF 6 Mb!). Und für alle noch einige Bilder (kann auch dauern) vom Schauffelegelände, Steinbruch Haas, Blick übers Tal zum Lausterwerk und Ausklang im Pilum. /us
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